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                                    Biographie

          Fritz Kaltenbach – Leben und Leben lassen
                            1914–1989


Ein Besuch bei Fritz und Marianne Kaltenbach in ihrer Villa, wo Arbeit und Freizeit unter einem Dach vereint sind


Portraits von Ernest Hemingway, Albert Schweitzer, Fritz Kaltenbach senior sowie des Fritz Kaltenbach zieren, jedes Foto im Goldrahmen, alle vier in einer Reihe, das „Fründewändli“ im herrschaftlichen Salon der Villa Belvoir, St. Niklausen bei Luzern.
Der US-amerikanische Abenteurer/Schriftsteller und der helfende Arzt im kolonialen Afrika sind grosse Vorbilder von Fritz Kaltenbach. Als Familien-Crack hat Fritz auch seinen Vater dazugenommen. Auf ihn kommen wir noch zu sprechen. Wie Hemingway markiert Fritz den Macho – sein Verhalten jedoch ist von grosser Menschlichkeit.

Täglich, gegen 18.00 Uhr zur blauen Stunde, hält Hausherr Fritz Hof mit Freunden, Kunden oder Mitarbeitenden seiner Werbe- und PR-Agentur im Hause. Dabei unterhält er seine Gäste bei einem Glas Gigondas (Hauswein, ein dunkelroter Côte du Rhône AOC) mit launigen Erzählungen, untermalt mit ein paar Akkorden am Klavier. Musikunterricht hat Fritz nicht gekannt. Als Autodidakt spielt er Barmusik im Stil des Jazzpianisten der 50er Jahre, Charly Kunz. Ab und zu findet der Apéro ausser Haus statt. In einer der Luzerner Bars, wo sich gutbetuchte Touristen unter die Einheimischen mischen. Im Restaurant nebenan ist der Tisch für's Dîner schon reserviert. Das Fritz'sche Lieblingsgericht ist ein Wienerschnitzel, hauchdünn und gross wie ein Elefantenohr. Es wird vor dem Gast auf dem Flambierwagen bereitet. Eine Exklusivität des OLD SWISS HOUSE, das Restaurant der Familie Buholzer am Löwenplatz in Luzern.

Gehen wir nun das Leben von Fritz chronologisch durch.


„Ich habe keine Zeit zum Arbeiten, ich muss Geld verdienen“
war das Motto des Dritten in der Reihe der Portraits: Jenes des Vaters, Fritz Kaltenbach senior. (Nota Bene: Die Kaltenbachs waren vor Generationen aus dem süddeutschen Raum nach Basel übersiedelt; alle Stammhalter trugen den Vornamen Fritz). 1936 verlässt Fritz senior, mitten in der Wirtschaftskrise, seinen Chefposten der Registratur des Unternehmens Lonza in der Absicht, mit Erfindungen aller Art das grosse Geld zu machen. Da war zum Beispiel eine mechanische Tortenschneidmaschine, welche die Torte in gleich grosse Stücke und frei einstellbarer Grösse schneidet. Angefragte Hersteller jedoch zweifeln, ob Konditoren und Hausfrauen das Problem des „gerechten Tortenschneidens“ für derart einschneidend hielten, dass sie bereit waren, einen hohen Preis für die komplizierte Mechanik zu zahlen.

Um seine dreiköpfige Familie durchzubringen, verlegt sich Vater Kaltenbach auf’s Malen. Religiöse Themen liessen sich auf dem Lande damals gut verkaufen. So zieren bald die Abendmahl-Szene „Jesus und die 12 Apostel“, Landschaften wie „Jesus im Aehrenfeld“ oder Kopien von Böcklins Toteninsel die „Heimetli“ des Dorfes, wo sich die Kaltenbachs gerade aufhalten. Allzu lang dauert der Aufenthalt selten, denn Schulden beginnen sich zu häufen. Das Nomadenleben setzt sich fort, eine rasche Abreise ist angesagt.

So geht Fritzli an 14 verschiedenen Orten zur Schule. Das unstete Wanderleben seines Vaters erklärt, weshalb Fritz im Gegensatz zu seinem Vater in jeder neuen Lebensphase als Erstes ein Haus kauft und es zum Ausgangs- und Mittelpunkt seiner Arbeit und seines gesellschaftlichen Lebens macht.

Die Frage der Berufswahl stellt sich nicht, denn Fritz Kaltenbach junior zeigt schon früh ein ausserordentliches Zeichentalent. Das kollegial-freundschaftliche Verhältnis von Vater und Sohn erlaubt es Fritz junior, seinem kunstmalenden Vater eine Arbeitsteilung bei der Oelbildproduktion vorzuschlagen. Denn Vaters Maltalent reicht zwar für die Gewänder und Landschaften. Die Gesichter des Jesus und seiner Apostel jedoch erinnern an eine Räuberbande und nicht an Heilige. So malt der Senior Landschaften und Gewänder worauf der Junior die Gesichter von Jesus und den Aposteln einfügt. Eine Arbeitsteilung, wie sie schon die alten Meister kannten.

Aus einem im Nachhinein nicht mehr erklärbaren Grund zieht es Fritz senior plötzlich nach Spanien. 1936 besteigt die Kaltenbach-Familie den Zug und erreicht nach mehrmaligem Umsteigen schliesslich Madrid. Kaum angekommen, bricht der Spanische Bürgerkrieg aus. Also nichts wie Koffer packen und schnellstmöglich zurück in die Heimat!


Beruf und Berufung

Zurück in Basel ermöglicht Fritz senior seinem Filius eine Grafikerlehre. Nach deren Abschluss lässt sich Fritz als Gebrauchsgrafiker (wie der Beruf damals treffend genannt wurde) in Luzern nieder und heiratet eine Einheimische mit Rufname „Dada“. Sie schenkt ihm die Zwillinge Fritz und Esther, wobei deren Geburtsjahr 1939 mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges zusammenfällt, was die Vaterfreuden jäh unterbricht: Füsilier Kaltenbachs Kompanie wird an die Grenze zu Deutschland verlegt, wo er den Aktivdienst absolviert - im kritischen Moment, als die Wehrmacht am 10. Mai 1940 Frankreich angreift. Die neutrale Schweiz befürchtet, wie Holland und Belgien vom NS-Regime annektiert zu werden. Füsilier Kaltenbach hat Glück, denn statt durch das Gelände zu robben, den scharfen Schuss zu üben oder Wache zu schieben, ist sein Zeichentalent gefragt: Er malt Wandgemälde mit Karikaturen von Offizieren und Mannschaft an die Wände der Kantine oder erstellt für den Nof (Nachrichtenoffizier) exakte Panoramazeichnungen des Geländes für das Dispositiv der Verteidigung.

Nach dem Krieg kommt ein temperamentvoller Nachzügler zur Welt, der Rolfi.

Tochter Esther, mit Talent für Sprachen, verfeinert ihr Französisch während eines damals für höhere Töchter üblichen Welschlandjahres. Später lernt sie während der Familienferien in Spanien ihren Mann Ricardo Sabater kennen und heiratet dort. Drei Söhne, Ricardo, Martin und Dani, perfekt zweisprachig, leben heute teils in Spanien, teils in der Schweiz. Ricardo (Rico) führt eine eigene Autowerkstatt in Küssnacht am Rigi, Dani sein Foto- und Videogeschäft in Meilen; Martin lebt in Palafrugell an der katalanischen Costa Brava. Mutter Esther arbeitet als Dolmetscherin, sie beherrscht fünf Sprachen und übersetzt Deutsch, Katalanisch und Spanisch.

Fritz junior, oder Fritz-Hans wie er sich zwecks Unterscheidung von seinem Vater zu nennen pflegte, wandert in die Toskana aus, wo er als gelernter Handwerker einen verlassenen rustikalen Landsitz (fattoria) zur rustikalen Pension ausbaut, möbliert mit ausgesuchten Antiquitäten. Mit eigenen Reben und einem grosszügig angelegten Swimming Pool dient die Liegenschaft paying guests, vorwiegend Schweizern, als Feriendomizil.

Rolf, der Jüngste, versucht einen beruflichen Einstieg als Rheinschiffer; ein Familienfoto zeigt ihn stolz in marineblauer Uniform. Es bleibt beim Versuch. So betätigt er sich in allen möglichen Metiers, am längsten verkauft er Tonwaren, die er in Norditalien einkauft und seinen Kundinnen in der Schweiz direkt ab seinem eleganten, schwarzen Mercedes Transporter anbietet. Seine Kunden sind Blumengeschäfte, Gärtnereien und private Haushalte in gehobenen Verhältnissen. Rolf betreibt Marketing mit Intuition, er findet neue Zielgruppen. So kauft er beispielsweise in Italien ein Lot David-Figuren unterschiedlicher Grössen und Preislagen, hergestellt in Carrara aus Marmorstaub. Diese Kopien der berühmten Statue von Florenz verkauft er an Schwulen-Bars. Von seinem Vater hat er das Talent als Causeur geerbt, allerdings ohne dessen Fleiss und Sesshaftigkeit. Rolf „lebt unterwegs“ wie sein Grossvater.

Blenden wir zurück zu Fritz Kaltenbach. Anfangs der fünfziger Jahre beginnt seine Karriere als Grafiker. Er sucht sich einen Kompagnon für Ausstellungsgestaltung, Bernhard Zbinden. Sie firmieren als K + Z. Ihr Atelier gewinnt prominente Kunden für Werbeaufträge bekannter Markenartikelfirmen wie Nestlé, Hug Schuhe, Bucherer (Rolex) sowie Steinfels (Waschmittel). Für Banago Kraftnährmittel zeichnet er die bekannte Comic-Figur „Nagoli“ in Fortsetzungs- Bildgeschichten sowie einen Puppentrickfilm für Kinder. Er vergibt Aufträge an den weitgereisten Luzerner Fotografen Josef Laubacher, später an seinen Nachfolger im Atelier, James G. Perret , dipl. Fachfotograf und grosser Meister der Sachaufnahme (Gübelin-Uhren und Schmuck) sowie Ambassador der weltweit führenden Schweizer Sinar Fachkamera, Schaffhausen.
Als Freelancer ist Fritz Kaltenbach für den prominenten Zürcher Werbepionier Rudolf Farner tätig. „Fänsch“ will ihn als Creative Director einstellen. Doch Fritz Kaltenbach winkt ab; er kann sich eine Tätigkeit als Angestellter schwerlich vorstellen.


Ein Neuanfang

Ende der fünfziger Jahre trennen sich „Dada“ und Fritz. Er lernt die ebenfalls geschiedene Marianne Berger-Rothen kennen. Da beide vor dem Gericht die Schuld übernommen hatten (es brauchte damals für eine Scheidung einen Schuldigen) umgehen sie das 2-jährige Eheverbot und heiraten in der italienischen Zwergrepublik San Marino.

Marianne Berger wird zu Marianne Kaltenbach, der späteren Gastronomin und Kochbuchautorin. Die Kaltenbach ist damals schon in Luzern bekannt für ihre französisch inspirierte Küche. Als Gastgeberin bewirtet sie in den fünfziger Jahren, unterstützt von ihrem ersten Mann Ruedi Berger, in ihrem Hause bei dinner parties Mitglieder des Ensembles des Luzerner Stadttheaters. Mit von der Partie sind die Theater und Film-Schauspieler Wolfgang (Gino) Rottsieper, Gessler-Darsteller im Schweizer Tell-Film (1960) sowie Robert Tessen, später während 30 Jahren am Zürcher Schauspielhaus. Eine prägende Erinnerung an ihn ist eine Fahrt in seinem MG Sportwagen, mit offenem Verdeck an einem lauen Sommerabend. Gut möglich, dass meine spätere Leidenschaft für Sportwagen von diesem Fahrerlebnis herrührt.

Dass Marianne über 50 Kochbücher schreiben und Paul Bocuse als Gastkoch in ihr Restaurant Raben in Luzerns Altstadt einladen wird, ahnt sie nicht.
Mehr über Mariannes Vita verrät die flüssig geschriebene Biographie von Leandra Graf und Christian Seiler, DIE KALTENBACH, erschienen im Echtzeit-Verlag, Basel. Ein Werkverzeichnis und ein Exkurs über die Schweizer Küche runden das Werk ab.

Weil „Dada“ untröstlich und allein ist, laden Fritz und Marianne sie in ihr bescheidenes Dorfhaus an der Costa Brava in die Ferien ein. Das Haus hatte Fritz ein Jahr zuvor noch zusammen mit seiner ersten Ehefrau gekauft. Nun trifft er mit zwei Frauen, drei Kindern aus erster Ehe sowie mit Sohn Peter von Marianne im spanischen Dorf ein. Man möchte meinen, ein Skandal wäre angezeigt. Nichts dergleichen. Da in Spanien das Franco-Regime und der Klerus unter einer Decke stecken, ist Ehescheidung verboten. Die Menschen arrangieren sich und so zählt die Realität von Partnerschaften - auch ohne Trauschein - und weniger Religion und Gesetz. Nach der Devise: „Hecha la ley hecha la trampa“. Auf Deutsch: Dem Gesetz folgt der Trick, es zu umgehen.


Die Moli Mayola im Hinterland der Costa Brava

Marianne liebt Strand und Sonne nicht, sie entdeckt lieber mit ihrem blaugrauen Citroen DEUX CHEVEAUX Land und Leute, fährt zum Fischmarkt im nahen Hafenstädtchen Palamos oder sieht sich Grundstücke an, die sie an sonnenhungrige, betuchte Schweizer vermittelt. Sie arbeitet mit zwei gewieften Liegenschaften-Profis vom nahen Playa de Aro zusammen, in der Schweiz mit Hans Wüest, Gründer der INTERCITY. Inzwischen hat sie sich genügend Spanisch angeeignet, dass sie Verkauf und notarielle Verschreibung der Grundstücke und Liegenschaften in die Wege leiten kann. Eindrücklich ist der Zahlungsvorgang der Kaufsumme vor dem Notar in „efectivo“ (Cash) in Bündeln von grünen 1'000 Pesetas-Noten, eingepackt in Zeitungspapier, reserviert und kurz vor dem notariellen Akt in der nahen BANCO CENTRAL abgeholt. (Kurs damals 1'000 Pts = CHF 70.-).

Jetzt erfährt Marianne von einer heruntergekommenen Finca ausserhalb des damals noch ruralen Calonge: Eine 200 Jahre alte Getreidemühle mit einer Architektur wie eine Burg mit dicken Mauern, Arkaden sowie massiven Mühlsteinen. Kühl im Sommer, aber eiskalt im Winter. Fritz und Marianne „müssen“ die Moli haben. Doch es gibt Probleme: die spanische Contessa will nur „en bloc“ verkaufen: 40'000 m2 Umschwung. Viel für ein Ferienhaus. Zudem lebt in der Moli ein Pächter mit Familie, Ross und Wagen, einer Kuh, Hühnern und Kaninchen. Nach spanischem Recht kann dem Pächter nicht gekündigt werden. Er bezahlt 200 Pesetas Jahreszins.

Zurück aus den Ferien animiert Fritz einen Freund, den Luzerner Architekten Ernst Scherz, die „bessere Hälfte“ des Grundstückes, 20'000 m2 mehrheitlich Pinienwald, zu kaufen. Fritz und Marianne greifen etwas tiefer ins Portemonnaie und lassen dem Pächter ein Haus auf dem Grundstück bauen. Er und seine Frau ziehen um, sie haben Wohnrecht auf Lebenszeit.

Sukzessive gelingt es Fritz und Marianne, Schweizer Freunde um sich zu scharen. Es entsteht in den nächsten Jahren eine Schweizerkolonie rund um die Moli Mayola. Ein Berner, Hansruedi Plüss, Direktor bei Hispano-Suiza, zeichnet sein Ferienhaus am Fluss selber, Fritz Reust, Bonvivant und erfolgreicher Zürcher Reklameberater (die Firma Reust Propaganda) mit gleichnamigem Sohn, Car Crack und heute international tätiger Auto-Journalist, lässt sich vom lokalen Bauunternehmer eine weiss getünchte Hacienda im mexikanischen Stil mit Patio bauen. Sozusagen als Pförtner bei der Einfahrt zur Siedlung amten Ernst Weber, Filmer bei Centralfilm in Zürich, und seine Frau Esther Weber-Kaltenbach.

Während der Sommerferien laden sich die Nachbarn gegenseitig ein – Marianne offeriert im Speisesaal der Moli eine Paella für 20 Personen, begleitet vom Edel-Rioja Marqués de Riscal, mit dem typischen feinen Drahtgitter, das Etikette und Flasche umgibt. Freunde, „Hex“ und Karl-Heinz Pfister, über die Landesgrenze hinaus bekannter Kinderarzt in Waldshut, kommen dazu. Sie übernehmen das Pächterhaus, das inzwischen frei geworden ist. Ihr jüngster Sohn Hans bringt eine Dixieland-Band aus Hannover mit, sie spielt auf zum Dîner.

Die Ferien sind zu Ende, die Rückfahrt durch Frankreich beginnt. Frühmorgens wird die düstere Grenze auf der Passhöhe der Pyrenäen - die nahen Brücken von Guardia Civil mit Lackhüten, Karabiner und Maschinenpistole bewacht - passiert. Von Zeit zu Zeit ist Marschhalt der ungleich motorisierten Fahrer: Fritz, im grauen Jaguar 3.4 mit roten Lederpolstern und dem Armaturenbrett aus edlen Hölzern, fährt voraus. Pfisters im Opel Rekord in der Mitte und Marianne am Schluss im DEUX CHEVAUX. Noch geht es über Landstrassen, erst kleinere Abschnitte Autobahn führen das Vallée du Rhône hinauf. 1-2 Übernachtungen trennen sie von der Schweiz. Erste Etappe ist Sète, französische Hafenstadt mit Kanälen und einem Fischerhafen. Am Abend trifft sich die Reisegesellschaft bei der bouillabaisse, als Vorspeise sind die moules farcies obligatorisch. Das Grand Hôtel besticht mit dekadentem Charme: Es erinnert an die grossen Zeiten der Stadt, als der Hafen Umschlagplatz der Güter aus den französischen Kolonien in Nordafrika war. In Sète, Geburtsstadt von Georges Brassens, wird das Chanson noch heute gepflegt. Eine beeindruckende Sehenswürdigkeit ist der Friedhof am Sonnenhang, mit splendider Aussicht auf das tiefblaue Meer.

Ein letzter Übernachtungshalt findet in der Romandie, der Heimat von Marianne, statt. Eine Gelegenheit für Verwandtenbesuche in Lausanne. Von Bern aus geht die Fahrt durch die kurvenreichen Strassen des Entlebuch bis Luzern.


Eine Villa als Inspiration

Vom bescheidenen Reihenhaus mit Kelleratelier im Luzerner Wesemlinquartier ziehen Fritz und Marianne um in die majestätische Jugendstil-Villa Belvoir im Luzerner Nobel-Vorort St. Niklausen. Die Neuacquisition gibt Schub, das kleine Grafikatelier mit Ernst Schätti und Werner Kuhn wird zur Werbe- und PR-Agentur Culinas AG. Fritz leitet die Abteilung Gestaltung, Marianne die Pressearbeit, Produkt-PR und die Testküche. Auf der IBM Kugelkopfmaschine tippt sie Rezepte, die der hauseigene Küchenchef nachkocht. Die Speisen, die für die Kunden fotografiert wurden, kommen auf den Mittagstisch oder werden nach Feierabend von den Mitarbeiterinnen nach Hause getragen. Kochdemos mit anschliessendem Lunch für bis zu 50 Hauswirtschaftslehrerinnen oder Presseleute gehören zum PR-Programm für Kunden, so beispielsweise Kochdemonstrationen für KUHN/RIKON (Marken Duromatic und Durotherm). Nach Besprechungen werden die Kunden an die Mittagstafel geladen. Hans, Butler und Gärtner mit reicher Erfahrung in prominenten Häusern, bedient.

Es entstehen die Kochbücher von Marianne Kaltenbach. Mariannes Sohn Peter Berger, mit Werber-Diplom, steigt ins Business ein. Er entwickelt zusammen mit seinem Team Werbestrategien und betreut den Kontakt mit nationalen und internationalen Kunden. Das Familienunternehmen zählt inzwischen 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.


Ernst Kaltenbach, Herr der Zahlen im Belvoir

Fritz ist ein ausgesprochener Familienmensch. Er liebt es, die Seinen um sich zu scharen und up to date zu sein über das, was sich im Familienkreis abspielt. Auch animiert er Verwandte, in der Agentur mitzuarbeiten. Mit unterschiedlichem Erfolg.

So besorgt Ernst Kaltenbach aus Basel im Nebenamt die Buchhaltung der Firmen von Fritz und Marianne. Einmal die Woche kommt er frühmorgens ins Belvoir. Seinem Metier getreu, nimmt er es genau. Einmal trifft man ihn, wie er äusserst genervt aus seinem Büro kommt. Der Grund: Seine Buchhaltung ging nicht auf. Fritz, um eine Lösung nicht verlegen, öffnet seinen Geldbeutel und offeriert ihm, den kleinen Fehlbetrag in bar auszurichten. Es stossen zwei Welten aufeinander.
Ernst Kaltenbach ist von Beruf Export-Kaufmann. Er lebt vor seiner Heirat mit Ramona in Afrika, wo er im Import-Export für die Basler Mission tätig ist. Zurück in Basel betreibt er erfolgreich Handel mit Gitterrosten. Für Kundenbesuche nutzt er einen imposanten, hellblau-metallic lackierten Amerikanerwagen, wie sie in den 60er Jahren en vogue waren. In den enormen Kofferraum passen die Gitterroste gut rein; PS-Leistung und Drehmoment des 7-Liter Motors sorgt auch bei voller Ladung für genügend Beschleunigung seines „Lieferwagens“.

Gäste bewirtet er bei sich zuhause mit kräftig gewürzten, afrikanischen Curry-Gerichten.


Basler Lokalkolorit

Fritz Kaltenbach zeichnet sich mit Humor und Schlagfertigkeit Zeit seines Lebens als waschechter Basler aus. So gönnt er sich und seiner Familie den Besuch der Basler Fasnacht, um die Schnitzelbänke und das bunte Treiben auf den Gassen zu erleben:

Im Schuelhof het dr Fritzli gsait :
„I nimm jetzt Schämpis und zwor zlaid!
Und gescht han i e Bordeaux gha
Well ich mir d Alkopops nimm laischte kaa.“

Cligge Romeo und Julia, 2004

Ein Cousin von Fritz, Alfred Kaltenbach, wird als prominenter Basler unfreiwillig Sujet der Schnitzelbänke. Hier lesen Sie, weshalb:

Alfred Kaltenbach hatte an der Uni Basel als Jurist promoviert, machte jedoch Karriere als Banker. Mit 32 Jahren war er Chef der Börse in Basel. Anschliessend ging er ins Private Banking und wurde Nummer Zwei in der neu gegründeten Basler Filiale der United California Bank (UCB). Seine steile Karriere kam allerdings zu einem plötzlichen Ende, als bekannt wurde, dass sich die UCB mit Kakao-Börsengeschäften in Millionenhöhe verspekuliert hatte und dies vertuschte. Nach Konkurs und Abschluss des Prozesses verbüsste Dr. Kaltenbach eine Haftstrafe, wobei er im Gefängnis zum Bibliothekar avancierte.

Paul E. Erdmann, Boss von Alfred Kaltenbach und CEO, ebenfalls mit Doktorat der Uni Basel, wurde gegen eine Kaution von 133'000 Dollar aus der Untersuchungshaft entlassen. Unverzüglich setzte er sich in die USA ab, unter Hinterlassung der Kaution. In den USA machte er Karriere als Erfolgsautor mittels einer neuen Kategorie von Romanen, welche er „fi-fi“, finance-fiction, nannte. Den preisgekrönten Bestseller „The Billion Dollar Killing““ (1973) begann er noch in der Haft im Basler Lohn. „The Crash of 79“ schrieb er im US-Exil, denn die US-Behörden lieferten ihn als amerikanischen Staatsbürger nicht an die Schweiz aus. Erdmann hatte als Betriebswirtschafter die Gabe, komplexe ökonomische Zusammenhänge verständlich darzustellen und daraus einen spannenden Plot zu stricken.

Im Jahr 1996 auf seine überraschende Karriere vom Banker zum Erfolgsautor von zehn Romanen angesprochen, war sein Kommentar : „It is what you call a successful career change.“


Fritz Kaltenbach in Spanien

Im Sommer lebt Fritz Kaltenbach seit den 70er Jahren jeweils 3 Monate des Jahres in der Moli Mayola. Schliesslich zieht er sich als Frühpensionär ganz aus der Agentur zurück. Er ist jetzt ausschliesslich als Illustrator und Maler tätig. Zusammen mit Marianne entstehen die zwei Kochbücher „Rezepte aus meiner Mühle“ (Eigenverlag, vergriffen) und „Pariser Bistrogerichte“. Fritz skizziert das Layout, setzt die Illustrationen und Marianne schreibt „nach Mass“ Rezepte und Begleittexte im vorgesehenen Raum zwischen den Zeichnungen von Fritz. In Handschrift und in der Länge der Texte angepasst an den noch freien Raum. Vorlage für die naturalistischen Illustrationen sind arrangierte Food-Stilleben (Moli) und Recherchen vor Ort mittels Dokumentar-Fotos (Paris). Die ersten Kochbücher illustriert Fritz, bis Marianne ihre Bücher erst bei Hallwag, Bern und später bei Gräfe & Unzer, München verlegen und gestalten lässt, jetzt mit instruktiven Farbfotos.

In den Achtziger Jahren, wo sich Fritz ganz aufs Malen konzentrieren kann, malt er eine beeindruckende Zahl Oelbilder. Nie draussen in der Natur, sondern an der Staffelei in seinem Atelier, im ersten Stock der romantisch-düsteren Moli. Inspiration für seine Werke findet er in der Landschaft, den Dörfern und seinen Bewohnern sowie dem Meer der Costa Brava.

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Fritz Kaltenbach zeigt als Maler und Illustrator seine Werke

Events und Ausstellungen in der deutschen Schweiz:

Ausstellung zweier Luzerner Künstler
in der Kornschütte, Rathaus Luzern
Fritz Kaltenbach & Erik Lanter
Bilder, Illustrationen, Zeichnungen
1979

Dr. Kurt Weibel, Verleger bei Hallwag Bern und Freund von Fritz und Marianne Kaltenbach, führt in die Ausstellung ein:

„Meine sehr verehrten Damen und Herren Damit Sie sich nicht auf eine lange Ansprache gefasst machen, möchte ich Ihnen gleich am Anfang mitteilen, dass mein Freund Fritz Kaltenbach gewünscht hat, dass über ihn und seine Bilder nicht gesprochen werden soll.
Ich befinde mich also in der wenig beneidenswerten Lage, wohl zu reden, aber nichts zu sagen. Und dies ist bekanntlich ein Privileg aktiver Politiker. Glücklicherweise bin ich nun auf eine absolut kompetente Persönlichkeit gestossen, welche vor über 70 Jahren die gleiche Auffassung vertreten hat, wie sie heute Fritz Kaltenbach vertritt.
Ich zitiere den einzigen Literatur-Nobelpreisträger der Schweiz, Carl Spitteler :

„Am Kunstgeschwätz vorbei, lassen wir die Bilder reden.“

Meine sehr Verehrten, nach diesem Zitat gibt es wirklich nichts mehr zu sagen. Ich wünsche Ihnen einen schönen, angenehmen Abend und danke Ihnen.“

Kurt Weibel, 7.12.79


Gemeindehaus Horw / Luzern
11  Horwer Künstler
1981 : Anlass 750 Jahre Horw

Neben Fritz Kaltenbach ist auch Hans Hagmann, Freund und freier Mitarbeiter der Culinas, mit filigranen Landschafts-Zeichnungen vertreten.

Galerie TrouvArt Luzern
Charles Gehrig & Fritz Kaltenbach
1983

Die Werke der beiden Künstler führen in zwei sehr unterschiedliche Welten.

GLOBUS FORUM Zürich
Fritz Kaltenbach
1984

Oberhus Greppen
Fritz Kaltenbach
Bilder aus Spanien
1985

Villa Belvoir, St. Niklausen
Marianne & Fritz Kaltenbach
Gedenkausstellung:
Kochbücher, Illustrationen & Oelbilder
2006

Restaurant Pfistern, Luzern
Kulinarische Wochen
„Aus Schweizer Küchen“:
Rezepte Marianne Kaltenbach;
Fritz Kaltenbach : Oelbilder
2013

Fritz Kaltenbach stirbt am 26.11.1989 nach kurzer, schwerer Krankheit im Kreise seiner Familie in seinem geliebten Belvoir. Er hatte sich einer Einlieferung ins Luzerner Kantonsspital verweigert. Seine Begründung: "Ich will nicht an die Schläuche."


Erinnerung

Marianne und Fritz Kaltenbach haben in vielerlei Bereichen zusammen gewirkt, sich unterstützt, beflügelt und ein Werk geschaffen, das eng mit der Villa Belvoir verbunden ist. Hier wurde gepröbelt, gekocht, gekostet – und gefeiert.


Text: Peter Berger, Zürich und Barcelona
   



Hinweis:
Alle abgebildeten Zeichnungen auf dieser Homepage und Folgeseiten des Künstlers Fritz Kaltenbach mit freundlicher Genehmigung der Erben von Fritz und Marianne Kaltenbach © (Peter Berger). 

Die Abbildungen der Werke von Fritz Kaltenbach dienen ausschliesslich der Illustration der Arbeiten des
Künstlers. Die Verwendung von Dritten ist ohne Erlaubnis der Rechteinhaber nicht zulässig.